Kalabrien

Der „Sentiero dell Inglese“ ist ein spezieller Pilgerweg, erste Aufzeichnungen aus dem 16 Jahrhundert. Ein Gebets-Weg, aus der Zeit der Pest. Er ist der südlichste Weg auf dem italienischen Festland. Er geht durch Aspromonte in Calabrien. Start in Pentedassilo, in der nähe von Reggio Calabria.

Il Sentiero dell’Inglese è uno spettacolare cammino che si snoda nell’Aspromonte grecanico in Calabria, ricalcando le orme percorse dall’artista paesaggista inglese Edward Laer che nel 1847.

Wie ich vom Weg abkam, um nicht auf der Strecke zu bleiben.

Eine Pilgerreise durch Kalabrien.

Bin ich in eine Falle geraten? Bin ich das Opfer einer Entführung geworden? Wie konnte mir das passieren? Ja ich weiß, die Ndrangheta, die kalabrische Mafia ist hier zu Hause.

Meine fürsorgliche Frau, Eva-Maria Admiral, hat mich vor meiner Abreise gewarnt. Sie las, im Gegensatz zu mir, Bücher über Kalabrien. Inklusive Ndrangheta. Nun sitze eingeengt in einem Fiat Punto auf der Rückbank, mit meinem Pilgerrucksack. Vor mir zwei kräftige Italiener, beide tragen dunkle Brillen. Türen gibt es nur vorne, ich bin also hinten eingesperrt.

Kaum sind die Türen zugeschlagen, diskutieren die beiden Männer lautstark miteinander. Streiten sie miteinander? Sie sprechen einen schnellen kalabrisch-griechischen Dialekt. So sprechen hier die Einheimischen, im äußersten Süden von Italien. Ich bekomme kaum etwas mit.

Ich habe mit vielem gerechnet, aber nicht mit einer Entführung. Eine mögliche Schlagzeile läuft bereits in meinem Kopf: „Schweizer Pilger entführt. Im Keller eines Bauernhof in Kalabrien gefoltert bis Online-Konto leer…“

 

Zu Beginn meiner Pilgerreise bat ich Gott um seinen Schutz.

Und mir war auch klar, wenn ich einen Pilgerweg wählen würde, abseits der ausgetretenen Pfade, würden einige Abenteuer auf mich zukommen. Aber bitte, bitte doch nicht gleich so etwas.

Mit offenen Augen und Ohren unterwegs

Ich entschloss mich, wie jedes Jahr, wieder einen Pilgerweg in Italien zu gehen. Abseits der bekannten Wege, mit offenen Augen und Ohren. Gott in der Stille begegnen. „Geht nun, ihr allein, an einen einsamen Platz und erholt euch ein wenig. Denn es war ein pausenloses Ab- und Zugehen ungezählter Menschen“. (Mk 6.31) Jesus meint hier das „Das Rennen um das Vielerlei des Tages“ (Mk 4,19)

Ich plante diesmal den „Sentiero dell’Inglese“ Calabria. Der südlichste Pilgerweg Italiens. Ein Wanderweg, viele Jahrhunderte alt, 1848 historisch dokumentiert von einem Englischen Historiker, Edward Lear. Heute völlig in Vergessenheit geraten. Sie werden dort kaum anderen Pilger begegnen. Aber der Kontakt mit der örtlichen Bevölkerung wird um so intensiver werden, da diese sich meistens über jeden einzelnen Pilger freuen. Oft gibt es ein einfaches Essen und eine bescheidene Übernachtungsmöglichkeit. Dies ist eine bescheidene Einnahme-Möglichkeit für die überalterten Dorfeinwohner, die hauptsächlich von karger Landwirtschaft lebt. Dieser Pilgerweg führt durch romantische und idyllische Natur, manchmal stundenlang kein Haus, keine Zivilisation. Manchmal ausgeschildert, notfalls hilft das Handy vielleicht weiter. Sie wandern von Dorf zu Dorf, viele grössere, alte Dörfer sind völlig ausgestorben. In anderen Dörfern vielleicht  eine Hand voll älterer Leute. Die Alten sprechen noch griechisch untereinander.

 

Inflexibility produces stress

Mein Pilgerreise startete in Pentedattilo, dem offiziellen Startpunkt dieses Weges. Ein zauberhaftes Dorf mit nur einer Einwohnerin, Rosella. Bei ihr kann man wunderbar essen und übernachten. Sie offenbarte mir, dass irgendwas mit den Stromleitungen im Haus nicht stimmt, so etwas könnte ich bestimmt reparieren, schliesslich sei ich doch ein Mann. Ich verschob meine Abreise und verbrachte einen ganzen Tag mit durchgebrannten Stromleitungen.

Ich hatte die Reise gut durchgedacht, perfekt geplant. Das ist meine Stärke. Ein perfektes Setup. Aber bereits den Start musste ich umplanen, als ich sah, wohin mich Gott geführt hat, mit welchen Menschen und Nöten er mich zusammenbringt.

Mir wurde klar, wandern auf Pilgerwegen bedeutet flexibel zu sein. „Inflexibility produces stress“. Halte nicht an deinen Plänen fest. Der Mensch plant, Gott lacht.

Am Abend erzählt mir Rosella die Geschichte dieses Pilgerweges. Im Mittelalter wohnten angeblich viele böse Geister in Pentedattilo, die Pest wütete. So beschlossen einige der übrig gebliebenen Einwohner die 170km entfernte Kirche „Chiesa di Santa Maria di Tridetti“ zu pilgern. Gott hat diese Gebete nicht erhört – Pentedattilo war drei Jahrhunderte menschenleer, die meisten Häuser und das Kirchendach teilweise eingebrochen…

 

Du bist ein Gott, der mich sieht

Der Weg beginnt in der offenen Kirche von Pentedattilo.

Menschenleer, zwei Katzen – aber Gott hört trotzdem. Auch ohne offizielle Aussendung und Pilgerstempel. „Du bist ein Gott, der mich sieht“ (Gen.16,13)

Ich lese laut meinen Pilgerpsalm 84,6: „Glücklich ist der Mensch, dessen Stärke in dir ist! Gebahnte Pilgerwege sind in seinem Herzen! Sie gehen durch das Tränental und machen es zu einem Quellort. Ja, mit Segnungen bedeckt es der Frühregen“.

Dann geht es los.

 

Unterwegs bat ich Jesus, mein Leben nach zu justieren, vielleicht um ein oder zwei Grad zu korrigieren. Mehr wollte ich nicht erwarten. Denn jeder Segler weiss: Wenn er den Kurs seines Schiffes nur um wenig Grad verändert, wird er am Ende an einem ganz anderen Ziel ankommen. Viele Pilger erwarten sich eines Tages eine laute Gottesstimme, die sich plötzlich zu Wort meldet und überhören das leise Sprechen in der Stille, das längst unser Leben begleitet. Sein Joch ist leicht. Mein Rucksack ist schwer.

Ich bat Rosella, sie möge mir doch ein Wort mit auf meinen Weg geben. Sie erwiderte: “La maturità spirituale si raggiunge quando impari a stare zitto, a camminare, a non lamentarti, e a ringraziare per quello che hai”. Geistige Reife erreichst du, wenn du lernst, still zu sein, weiterzugehen, dich nicht zu beklagen und dankbar zu sein, für all das, was du hast. Danke. Eine kurze Umarmung und los ging es. Etwa 8 Stunden wandern, im Juli, vorbei durch zwei kleine Dörfer, viele Olivenbäume, eine menschenleere aber traumhafte Gegend.

Ich freute mich auf den Abend. Über eine Internetplattform hatte ich ein nettes Zimmer reserviert. Es wurde seit einer Woche angeboten. Keine Bewertungen von anderen Gästen. “Gratulation, Sie sind der erste Gast!“. Laut Beschreibung eine traumhafte Aussicht, eine Dusche, reichlich zu essen. Ich folgte der Internet-Markierung. Nach 9 Stunden erreiche ich den beschriebenen Ort und sehe – Nichts. Kein Haus, kein Dorf, keine Spur einer menschlichen Zivilisation, einfach nur karte Hügel, verdorrte Bäume und einen Ausblick zum Meer, dieses etwa 30 km entfernt.

Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.

Ich rief den Vermieter an und drohe ihm ziemlich empört, wenn er mich nicht sofort abholen würde, gäbe es eine sehr schlechte Bewertung, dann könne er seine Unterkunft im Internet überhaupt vergessen.

Die dunkle Männerstimme erklärt mir, wo die nächste kleine Autostraße sei, und dass er mich in 20 Minuten abholen würde. Ich beruhigte mich. Am Straßenrand tröstete mich ein Wort von Vaclav Havel: Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht. Diese Aussage wirkt bei mir immer wie eine Reset-Taste, wenn die Dinge nicht so laufen, wie ich das geplant habe. Danke, für die Gelegenheit, nun ein weises Wort in der Wirklichkeit zu überprüfen…

Ob die Dinge nur eine Ursache oder aber einen Grund haben, das ist die Frage, die Gott uns stellt. Unser Verstand kann Aspekte der Ursachen erforschen, einzig der liebende Gott aber ihren Grund.

Nach 40 Minuten aufatmen. Ein blauer Fiat Punto erscheint. Viele Beulen. Ich fragte mich, ob der Fahrer vielleicht einfach nur schlecht sieht? Zwei kräftige Italiener stiegen aus, klappen den Vordersitz um und bitte mich, jetzt sofort einzusteigen. Warum kommen die Typen nun zu zweit?Kaum fahren wir los, beginnen die beiden zu streiten.Ich musste wissen woran ich bin. Ich sagte mir: „Eric, stelle nette Fragen, mache Komplimente und stelle einfach nur ganz nette Fragen…“ so wie „Oh! Vivete davvero in paradiso qui. E una storia affascinante! E le persone qui sono così gentili e cordiali…” u.s.w. Smaltalk wirkt wie ein Türscharnier, um eine verschlossene Tür zu öffnen…

Plötzlich begannen die beiden ausführlich zu erklären: Giovanni, der Beifahrer, der Zimmervermieter, war fast blind. Er hatte im Internet ein Zimmer angeboten, mit einer völlig falschen Ortsangabe. Da er den genauen Ort auf der Karte nicht sehen konnte, setzte er, halb blind, mit seinen breiten, abgearbeiteten Fingern eine falsche Markierung. Er bediente sein Handy mit einem Abstand von etwa 10 cm vor dem Gesicht. Aufgrund seiner Sehprobleme besass er auch keinen Führerschein. Offensichtlich aber Fahrpraxis mit diesem Fiat. Alfonso, sein Bruder am Lenkrad. Der war etwas verärgert, denn er musste die Tomatenernte unterbrechen und mich hier abholen, da sein Bruder online diese falsche Markierung gesetzt hatte.

Aufatmen. Mir wurde klar, dass ich offensichtlich nicht das Opfer einer Entführung geworden bin. Und dass hier einfach zwei italienische Männer in einem sachlichen und brüderlichen Ton miteinander diskutierten, was für meine braven Schweizer Ohren natürlich als lauten Streit interpretiert wurde. Endlich, die Ankunft in meiner Unterkunft. Wieder ein traumhaftes kleines Dorf, Galliciano, neun Einwohner.

 

Ich bekomme ein Haus geschenkt!

 

Giovanni erklärt mir, dass sie sich diese Tage mit der Tomatenernte sehr beeilen müssen. Es gibt nur ein kleines Zeitfenster, in dem man die Tomaten unten an der Küste an die Supermärkte weiterverkaufen kann. Das leuchtete mir ein. Ich bot ihnen an, nach einem kleinen Imbiss, mitzuhelfen. Daraus wurden zwei Tage. Zwei Tage Tomatenernte. Zwei Tage wunderbare Unterkunft mit Kost und Logie inklusive. Beide Brüder waren um die 40, immer noch ledig, weil es im ganzen Dorf keine Frau unter 70 gab. Aber für sie wäre es undenkbar, dieses wunderbare Dorf zu verlassen.

Danach besuchte uns der Bürgermeister, beim letzten Frühstück. Die Dorfbewohner meinten, ich solle doch noch länger, oder überhaupt für immer in ihrem Dorf Galliciano bleiben, es gäbe genug Arbeit und viele leere Häuser, ich könne mir sogar eines aussuchen. Die Gemeinschaft hat mich geprüft und würde mich gerne aufnehmen. Der Bürgermeister bestätigte dies.

Ein Haus bekommt man tatsächlich geschenkt, wenn man sich verpflichtet, es zu renovieren, und für immer im Dorf zu bleiben. Ich lehnte dankend ab.

Nach einem ausgiebigen Frühstück zwangen mich die beiden Brüder und ihre Mamma, einen Liter Rotwein aus ihrem eigenen Weingarten mit zu nehmen. Als Dank. Mein Rucksack hatte bereits 7,5 Kg, inklusive Notschlafsack. Das ist das Limit. Plus 1,5 Liter Wasser. Ich durfte den Wein nicht ablehnen. Ich zog weiter, mit einer Flasche Rotwein im Rucksack. Ein Pilger, der von Gott hören möchte.

Ich bat die beiden Brüder und den Bürgermeister auch um ein Wort, dass sie mir auf den Weg mitgeben könnten. Damit taten sich alle Brüder sichtlich schwer. Wir gingen zurück ins Wohnzimmer zur gehbehinderten Mamma, und schliesslich meinten sie:

„O ti formi, o ti fermi“. Entweder wirst du dich verändern oder du wirst im Leben nicht mehr weiterkommen. Ich vermute, dieses Lebensprinzip hat die Mamma oft ihren Söhnen versucht zu erklären.

 

Besser auf neuen Wegen etwas stolpern als auf alten Pfaden auf der Stelle treten.

Ich war bereits 3 Tage im Verzug, meine Strecke musste wegen diesem Aufenthalt umgestellt werden. Für diesen Tag war der Plan klar: von Galliciano nach Bova, 7 Stunden, 1200 Meter Höhenunterschied, es ist Juli. Es gab keinen direkten Weg, dafür eine gut überschaubare Natur, Wiesen und Sträucher, alles von Ziegen kahl gefressen.

Es fühlte sich fast an, also ob Gott zu mir sagen würde: Eric, warte nicht ein Leben lang, bis ich dir einen neuen Weg zeigen werde. Du bist alt genug. Wege entstehen da, wo du sie gehst.

Ich zog aus meiner Brusttasche das ultimative Werkzeug jedes Pilgers: Eine Kugelschreiber-Mine. (Ein ganzer Kugelschreiber wäre zu schwer). Und mein sehr kleiner Notizblock, bestehend aus drei A4 Seiten. Ich schrieb mir diese alte Weisheit auf: „Besser auf neuen Wegen etwas stolpern als auf alten Pfaden auf der Stelle treten“.

 

Ich wanderte an einer griechisch-orthodoxen Kirche vorbei. Sie war offen, ich wagte einen Bick hinein, der meinen Horizont erweiterte. Die Kirche wurde gut von Wespen bewacht. An der Wand fünf grosse Ikonen. In der Mitte Jesus, dominant. Um das Bildnis, um Jesus herum, hingen nicht die vier Evangelisten sondern Homer, Pythagoras, Platon und Aristoteles…

Mir wurde klar: auch wenn hier nicht die vier Evangelisten hängen: „Du bist ein Gott, der mich auch hier, am Ende der Welt, unter diesen Wespen, sieht…“

Aber nun weiter nach Bova – keine Zeit verlieren.

Bova ist eines der zauberhaftesten Städtchen der Welt, das ich je auf meine vielen Reisen je betreten durfte.

Mein Plan wäre anstrengend aber fast perfekt verlaufen… wäre da nicht Ugo gewesen. Ugo traf ich im Amendolea-Tal. Ein Rechtsanwalt aus Mailand, der bereits vor 20 Jahren seinen Traumjob an den Nagel hängte, um hier Bergamottenbäume zu pflanzen. Sofort verstand ich mich mit ihm – manchmal spürt man das einfach, wenn man jemandem in die Augen blickt.

Ich stellte ihm die ungeöffnete Rotweinflasche auf den Tisch.

Ein Geschenk vom Mir und vom Nachbardorf!

Vor Freude zeigte er mir den ganzen Nachmittag sein Hof, seine Agricultura. (Als ob er mich als neuen Mitarbeiter anheuern wollte.)

Bergamotten sind runde, orangengroße Früchte, zitronengelb und an ihrem unverwechselbaren Duft zu erkennen. Bergamotten sind vor allem ihres ätherischen Öls wegen berühmt, das unter anderem in der Kosmetik und Lebensmittelindustrie Verwendung findet.

Mein Plan musste wieder nachjustiert werden, ich erreichte Bova einen Tag später. Mir ging es wie den Emmaus Jüngern: Mit meiner eigenen Planung, meinem Setup hatte ich mir das alles anders vorgestellt.

Niemand füllt jungen Wein in alte, brüchige Schläuche.  

Aber ich ahnte das Lebensprinzip: Eine Pilgerreise spiegelt unser ganzes Leben.

Zwar hätten wir es lieber, es verliefe anders – voraussehbar, planbar, ungestört. Dann müssen wir uns nur auf das Setup konzentrieren, auf den optimalen Anfangszustand. Zu Beginn alles schön aufstellen. Unsere Ausbildung, die Karriere, unsere Familie, aber auch Gott und die Gemeinde soll ihren geordneten Platz bekommen. Und wir kämen wie geplant am Ziel an. So stellen wir uns das vor, aber so funktioniert das Leben nicht. O ti formi, o ti fermi.

Unser Leben ist wie eine Pilgerreise. Wir gehen weiter. Ständigen Turbulenzen und Herausforderungen unterworfen. Wir kämpfen mit allen möglichen Wetterkabriolen, und dann sind da noch diese anderen Menschen, die Gott plötzlich mitten auf unseren Weg stellen. Die Menschen mit ihren Nöten! Wir überschätzen die Rolle der Vorbereitung, unsere Planung, und unterschätzen systematisch das Korrigieren.

 

Nachjustieren – unser Wissen ist Stückwerk

Sie kennen bestimmt mindestens einen Menschen, den Sie als reife, weise Persönlichkeit bezeichnen würden. Was glauben Sie: War es das Setup – die perfekte Herkunft, dass vorbildliche Elternhaus, die erstklassige Erziehung, die vorbildliche christliche Lebensführung, ein tolles Studium, der perfekte Partner, die perfekte Planung, die diese Person so weise hat werden lassen? Oder war es vielmehr ein Akt des korrigieren – die ständige Arbeit an den eigenen Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten? Mensch sein ist immer ein Werden.

Wenn Sie das nächste Mal hören, dass eine offenbar perfekte Ehe zweier perfekt zueinander passende Partner in die Brüche gegangen ist, dann sollten sie nicht überrascht sein. Ein klarer Fall von fixierter Planung. Ich persönlich bin seit 38 Jahren glücklich mit Eva Maria Admiral verheiratet. Aber bereits am Tag nach unserer Hochzeit wurde mir klar: Ohne ständiges Feinjustieren geht es nicht. Mich selber korrigieren, nicht meinen Partner. Jede Beziehung will unaufhörlich gepflegt und nachjustiert werden. Und wenn ich die Situation, meinen Arbeitsplatz oder meinen Partner nicht ändern kann – was meistens der Fall ist – besteht meine Heraufforderung darin, mich selbst zu verändern. Meine Erwartungen und Einstellungen zu korrigieren. Das ist meine Aufgabe im Leben. In welchem Bereich kann ich dazu lernen und mich verändern? Wo muss ich mich verändern, damit es nicht zu einem Bruch kommt? Wie war das mit dem Senfkorn?

Die Qualität meines Lebens, meiner Beziehungen, hängt nicht davon ab, in welchen Umständen ich mich gerade befinde oder wie sich mein Partner verhält. Oder mit welchen Menschen ich im Büro sitze. Sondern welche Fragen ich mir stelle. Welche Fragen mir das Leben stellt.

Die Qualität meines Lebens hängt davon ab, welche Fragen ich mir stelle.

Ohne ständiges nachjustieren und lernen, einer Korrektur meiner Erwartungen, bleibe ich in einer äußeren Form. Vielleicht hat sie früher einmal funktioniert hat, heute aber ist sie der Grund für verkrustete Strukturen. Das häufigste Missverständnis, dass mir begegnet: das gute Leben sei ein Zustand oder ein Umstand. Falsch. Das gute Leben gelingt nur durch ständiges Nachjustieren. Unser Wissen ist Stückwerk. (1.Kor.13.9)

Warum korrigieren und revidieren wir so ungern? Weil wir jede kleine Reparatur als Planungsfehler, als Schwäche interpretieren. Wir sind peinlich betroffen und fühlen uns als Versager. Oder wir schieben die Schuld auf die Umstände, auf den Chef, den Partner.

Die Wahrheit ist wie eine Pilgerreise: Der Plan geht so gut wie nie ganz auf, und wenn er ausnahmsweise mal ohne Korrektur verwirklicht werden kann, handelt es sich um reinen Zufall. Es kommt nicht auf meinen fixen Plan an, sondern auf das wiederholte weiterplanen und nachjustieren – und das wird nie zu Ende sein. Wir gehen weiter. Wir kommen im Leben nicht an.

Gott stellt uns vor neue Herausforderungen – wir stehen bereit mit unseren bewährten Planungen und Erfahrungen.

In Zeiten von Veränderungen sind Erfahrungen der grösste Schatz.

In Zeiten von Veränderungen sind Erfahrungen das grösste Hindernis.

„Niemand füllt jungen, gärenden Wein in alte, brüchige Schläuche. Sonst platzen die Schläuche, der Wein läuft aus, und die Schläuche sind unbrauchbar. So verlangt das neue Leben nach neuen Ordnungen.“ (Mk2,33)

Jesus hat für uns einen neuen, jungen Wein, wir stehen bereit mit unseren alten Schläuchen.

Jesus hat für uns neue Fragen, wir erwarten ihn mit unseren alten Antworten.

Wir müssen das Stigma ablegen, das mit dem Korrigieren verbunden ist. Wer frühzeitig korrigiert, hat ein Vorteil vor jenen, die lange am perfekten Setup basteln und vergebens darauf hoffen, dass es immer funktioniert. Es gibt nicht die ideale Ausbildung. Es gibt nicht den idealen Partner. Es gibt nicht die vorbildliche Gemeinde. Es gibt nicht das einzig mögliche Lebensziel. Das sind Mythen.

Richtig ist: Man beginnt mit einem Setup, mit einer Planung und justiert dann fortwährend nach. Je komplizierter Ihre Welt, desto unwichtiger wird Ihr Ausgangspunkt. „O ti formi, o ti fermi“. Stecken Sie Ihre ganzen Ressourcen deshalb nicht in die perfekte Planung. Gehen sie weiter. Üben Sie stattdessen die Kunst des Korrigierens, in dem Sie laufend revidieren, was sich bewährt – zügig und ohne schlechtes Gewissen.

Wir steigen die Stufen unseres Lebens nicht geradlinig empor.
So manche Stolperstufe befindet sich darunter, die uns in die Knie zwingt. Ja, um Etagen zurück wirft. Andere Stufen erweisen sich als brüchig. Tragen nicht. Andere müssen übersprungen werden.

Aber trotzdem lohnt es sich, diesen Prozess niemals aufzugeben

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Eric Wehrlin ist Schauspieler und Dozent für Vortragskompetenz an verschiedenen Hochschulen. Er lebt gemeinsam mit seiner Frau, Eva-Maria Admiral in Salzburg. www.admiral-wehrlin.de

Beschreibung des Weges

Weitere Beschreibung

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Nur dieses Bild © GregorPQ :

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© Privat Eric Wehrlin

Tomatenernte in Galliciano. Hier  wurde mir ein Haus geschenkt.

© Privat Eric Wehrlin
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Alle Bilder  © Privat Eric Wehrlin:  

Alle Bilder  © Privat Eric Wehrlin